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Ortstermin Weingarten
Auf Stadtteilrundgang mit dem studentischen Kunstprojekt Luftgeschäfte

von Nico Schlösser

Glückliches Freiburg. Wer hier zwischen Herdern und Wiehre wohnt, könnte meinen, diese deutsche Großstadt hätte die Probleme nicht, die sich ihre deutschen Schwestern teilen: soziale Brennpunkte. Fassaden-Freiburg?

Im Juli 2004 gründeten Birgit Güde und Peter Klaiber, beide in Freiburg geboren, sie studierend in Paris, er in Berlin, das Kunstprojekt 'Luftgeschäfte'. Es zählt mittlerweile sechs feste Mitglieder. Inspiriert wurden die beiden von Spaziergängen durch Pariser Vororte. Diese wurden von der französischen Compagnie "art au quotidien" veranstaltet.

"Luftgeschäftler handeln mit Luft. Sie machen sichtbar, hörbar, greifbar, was man im Vorbeisehen übergeht." Mit dieser programmatischen Aufforderung zum aktiven Wahrnehmen lud das Projekt Anfang April 2005 unter dem Titel "HEIMATen" zu einem Rundgang durch Weingarten. Gehwege, Parkdecks, Plätze, Spielterrains, Häuser und Wohnungen wurden dabei zu einer großen, lebendigen Bühne.

Schafgeräusche hinter Eisengitter zeigten an: Weingarten war früher Weideland. Heute ist es eine Betonwüste, Ergebnis architektonischer Utopien der 1960er und 1970er Jahre. Hier habe man damals Schlafraum für möglichst viele Menschen schaffen wollen, erzählte Klaiber dem Publikum. Die Notwendigkeit von Wohnraum sei nicht erkannt worden. Schnell hätten die Einwohner vor allem soziale Einrichtungen gefordert. Wie passend
inszeniert, fuhr Klaiber ein ratternder Güterzug auf der nur wenige Meter entfernten Bahnlinie mitten durchs Wort. Es folgte die Besichtigung eines Hochhauses einschließlich der Begehung einer Wohnung, in der in einer kurzen Sequenz eine alltägliche Küchenszene dargeboten wurde. Weitere Installationen, Reden, ein Auftritt der Breakdance-Gruppe des lokalen Jugendzentrums und eine Theater-Tanz-Performance schlossen den Spaziergang ab.

"Luftgeschäfte" interessiert sich für den Schnittpunkt von Kunst und Sozialem. Es will runter von der festen Bühne, weg von Konventionen, die für Gestaltende und Zuschauende zugleich gelten, hin zur Verunsicherung: "Wir können keine Antworten geben, wir suchen die Fragen." Sozialer Brennpunkt, Betonwüste: das sind Zuschreibungen von außen. Weingarten ist viel komplexer. Hier gibt es soziale Probleme, aber auch einen regen interkulturellen Austausch und Solidarität unter den Einwohnern. Weingarten ist gleichsam fremde und vertraute Heimat.

"Luftgeschäfte" will in Weingarten weiterarbeiten. Die lokale Resonanz auf das Projekt war überraschend groß. Die Zuschauergruppen sollen aber kleiner werden. Also: auf Ankündigungen achten, aber nichts weitersagen ...
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"Fausto - das UniTheater Magazin" Nr 2/2005