HEIMATEN
meine Haustiere Pocky und Kicky
Stichwörter von Kindern aus Weingarten zum Thema Heimat.
Küche.Alle jungen Leute waren
verschwunden. Entweder hatten sie Banja Luka schon verlassen oder waren zur
Armee einbezogen worden. Es gab nur noch alte Leute und schwerbewaffnete
Soldaten. Als ich erfuhr, dass ich einen Platz im Flugzeug
kriegen würde, saß ich in der Küche und schälte Kartoffeln. Ich hatte 2 Stunden
Zeit die wichtigsten Sachen für mich und meine Kinder zu packen und mich von
meinem Mann, den Verwandten und Nachbarn zu verabschieden. (Seka A.)
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Mein Bett.. Bäuchlings
auf einem Bett liegend habe ich „Zwanzig Jahre danach“, „Die geheimnisvolle
Insel“ und „Jerry auf der Insel“ gelesen. Das Bett wurde zur Trapperhütte oder
zum Rettungsboot auf dem tobenden Ozean oder zu einem vom Brand bedrohten
Baobab, zum Zelt in der Wüste, zur günstigen Vertiefung, an der nur wenige
Zentimeter entfernt tumbe Feinde vorbeikommen.Ich bin viel gereist in meinem
Bett. Um zu überleben, nahm ich Würfelzucker mit, den ich in der Küche stahl
und den ich unter meinem Keilkissen versteckte (das kratzte ...). Die Angst -
das Entsetzen sogar - war immer gegenwärtig, trotz des Schutzes von Decken und
Kissen.
Das Bett: Ort unausgesprochener Bedrohung, Ort der
Gegensätze, Raum des einsamen Körpers, der bedrängt wird von seinen vergänglichen
Harems, ausgegrenzter Raum der Begierde, unwahrscheinlicher Ort der
Verwurzelung, Raum des Traums und der ödipalen Sehnsucht. (Georges Perec)
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Oma und Opa.
Es war Ende Februar 1987, ich
ging den Weg den Hügel hinauf, ins Dorf hinein, den Weg zum Bahnhof am anderen
Dorfende. Ich ging den Weg, den ich so oft und in den verschiedensten
Stimmungslagen gegangen war. Ich drehte mich noch einmal um, ich blickte zurück
auf das Haus meiner Eltern am Fuß des Hügels, ich sah noch einmal auf die Frau,
meine Mutter. Sie stand vor dem Haus, die Hände in den Taschen ihrer Schürze
und sah mir, dem sich entfernenden Sohn, nach. Sie winkte nicht, ich winkte
nicht. Wir hatten uns verabschiedet und wussten beide, sie wusste es und ich
wusste es, wir werden uns wahrscheinlich nicht mehr sehen. Wir wussten es, aber
wir hatten nichts gesagt. Sie nicht und ich nicht. (Richard Wagner)
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Kleider. Immer in einer Stadt geblieben zu sein und darin herumzulaufen ist wie wochen-, monatelang den Schlafanzug anzubehalten mit der Körperwärme und dem Nachtgeruch darin, herumzugehen, den Sonnen- und Kneipengeruch und den Geruch der Menschen aufzunehmen, bis der Stoff mit der Haut verwachsen ist und man vergessen hat, wie es sich anfühlen würde zu duschen und frischgewaschene steife Kleider anzuziehen, selbst duftend nach der Künstlichkeit des Duschgels und seinen eigenen Geruch einen Moment zu vergessen, also auch sich selbst für eine Winzigkeit fremd zu sein und darum befreit.
(Marie T. Martin)
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Essen. Hier ist jedes Land im Ausland.Der Zirkus ist immer im Ausland.
Aber im Wohnwagen ist das Zuhause. Ich öffne die Tür vom Wohnwagen so wenig wie
möglich, damit das Zuhause nicht verdampft.Die gerösteten Auberginen meiner
Mutter riechen überall wie zu Hause, egal in welchem Land wir sind. Meine
Mutter sagt, dass wir im Ausland viel mehr von unserem Land haben, weil das
ganze Essen unseres Landes im Ausland verkauft wird.
WÄREN WIR ZU HAUSE, WÜRDE DANN
ALLES WIE IM AUSLAND RIECHEN?
Mein Land kenne ich nur vom
Riechen. Es riecht wie das Essen meiner Mutter.
Mein Vater sagt, an den Geruch
seines Landes erinnert man sich überall, man erkennt ihn aber nur, wenn man
weit weg ist.Das Essen meiner Mutter riecht zwar auf der ganzen
Welt gleich, es schmeckt aber im Ausland anders, wegen der Sehnsucht.
(Aglaja
Veternayi)
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Lieblingsversteck. Das
Land am Nebentisch. Zwischen den Zeiten der Züge saß ich im Bahnhofscafé in
Wien. Ich schaute die Reisenden an, um von meiner eigenen Müdigkeit abzusehen.
Die Menschen, die allein an den Tischen saßen, schaute ich am längsten an.
Vielleicht sah ich an ihnen, ohne es zu wissen, die Müdigkeit, die von den
Drehungen der Landschaft kam, von der Luft im Abteil, vom Schaukeln und
Rauschen der Geschwindigkeit.
(Herta Müller)
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Spielzimmer. Vielleicht die Wiese hinter dem Haus, in dem ich aufwuchs.
Das Gras war schöner als der Schlaf, ich legte mich hinein und merkte, dass ich zu groß für meinen Körper war. Die Grillen, die Bienen, das Knistern, dieses Verströmen eines Erdgeruchs, in die Erde hineinhorchen, Ameisen und Käfer krabbelten auf dem Arm. Ich war ein Stück Rinde.
Die Wiese war schöner als jedes Lied.
Der Ahorn am Berghang, eine rote Bank darunter, von der die Farbe abplatzte, er stand allein am Hang, erst weiter oben begann der schwarze Wald, dort gab es Käutzchenschreie nachts und tags Sägen der Waldarbeiter und Geheimnisse, die ich nicht wissen wollte
Brombeeren suchen und Erdbeeren und Haselnüsse knacken und Walnüsse in ihrer dicken grünen Haut, mit dem Fingernagel hineinstechen, Kastanien, die an der Seite aufgeplatzt sind und einen glänzenden braunen Spalt freigeben wie eine Hose mit einem Riss, wo das Knie durchscheint.
Die Taschen vollgestopft mit Kastanien, die herauskullern wie fette Murmeln, klackklackklack, kollerkollerkoller.
Apfelschnitzen, die der Vater mit seinem Taschenmesser geschnitten hat und dazu der Geruch nasser Erde und verfaulter Rinde, Holzspäne unter der Bank.
Kartoffelfeuer im Herbst, überall Rauch, in zu großen Gummistiefeln auf dem Feld stehen, das immer Buckel macht, da liegt noch eine übriggebliebene Kartoffel, und da noch eine und da.
Löwenzahn, die Wiesen sind gelb von Löwenzahn, einen Kranz flechten, die klebrige Milch, der weiche Stiel, Pflock, machen die dicken Stängel, wenn man sie pflügt.
Dotterblumen im Sumpf, vor dem mich die Mutter gewarnt hat, der Boden gibt unter mir nach. Nicht durch den Sumpf gehen, sagt die Mutter, aber ich fliege darüber, ich weiss, dass ich nicht einsinken kann, hinter den Hügeln höre ich den Zug in den Bahnhof einfahren und das Abendrot fallen wie ein Tuch, ganz langsam, ein Tuch, ein leichtes rötliches Tuch.
Schafgarbe hieß so, weil sie hell und krisselig war wie ein Schafsfell, Wiesenschaumkraut, weil ich drin badete. Die Wiese hatte mich unter ihre Lider gelegt und kitzelte mich mit grünen Wimpern. Ich hatte mich in den Wimpern der Wiese verfangen.
(Marie T. Martin)
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Mein Reich.Auch ich komme aus Zirma. Meine Erinnerung umfasst Luftschiffe, die in Fensterhöhe in alle Richtungen fliegen, Straßen mit Läden, wo man die Haut der Matrosen tätowiert, Untergrundbahnen voller beleibter Frauen, denen die Stickigkeit zusetzt. Meine Mitreisenden aber schwören, dass sie ein einziges Luftschiff gesehen haben, das sich über die Türme der Stadt erhob, einen einzigen Tätowierer, der Nadeln und Tinten und perforierte Zeichnungen auf seinem Schemel ordnete, eine einzige Tonne von Frau, die sich auf der Plattform eines Wagens Luft zufächelte. Das Gedächtnis ist übervoll: es wiederholt die Zeichen, damit die Stadt zu existieren beginnt.
(Italo Calvino)
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Mein Leben. Raum, in dem ich mich einrichte, den ich wähle, dem ich den Namen Leben gebe, erst in dem Moment, in dem ich mich bei mir fühle, in dem ich eine Spur gezeichnet habe, eine Spur durch den Alltag zeichnen, die meine Handschrift trägt. Mein Leben ist meine Schriftspur, mein Fingerabdruck, mein Körper. Mein Leben ist, wie ich die Dinge sehe, wenn ich gelb mit rot verwechsle, wenn ich meine Wohnung Traumwald nenne, wenn ich mich rieche, weiss ich, dass ich lebe, wenn ich mich berühre, wenn ich im Spiegel sehe, wie schön ich bin. Mein Leben ist, die anderen fragen, wer ich bin.
(Peter Klaiber)
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Meine Haustiere Pocky und Kicky.Woraus schließen Sie, dass Tiere wie Gazellen, Nilpferde, Bären, Pinguine, Tiger, Schimpansen, usw., die hinter Gittern oder in Gehegen aufwachsen, den Zoo nicht als Heimat empfinden?
(Max
Frisch)
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